CONSTRESS - Constitutionalism under Stress
CONSTRESS 2.0
Seit Januar 2022 läuft im Rahmen der Profilpartnerschaft zwischen Humboldt-Universität und der Princeton University der zweite Zyklus des strategischen Partnerschaftsprojekts “CONSTRESS - Constitutionalism under Stress: Comparative Perspectives”. CONSTRESS, das erstmalig 2016 ins Leben gerufen wurde, ist ein interdisziplinäres Vorhaben, das Politikwissenschaftler:innen, politische Philosoph:innen, Soziolog:innen und Jurist:innen zusammenbringt. Es umfasst gemeinsam geleitete Seminare und Workshops, die Masterstudierenden und Doktorand:innen aus verschiedenen Disziplinen an beiden Universitäten offenstehen.
Auf HU-Seite ist neben dem Lehrbereich für Vergleichende Demokratieforschung und die Politischen Systeme Osteuropas auch das Integrative Research Institute Law & Society (LSI) beteiligt.
Forschungsschwerpunkt
Seit dem weltweiten Boom der demokratischen Verfassungsgebungen und Verfassungsreformen in den 1990er Jahren drehte sich die rechtliche und politische Debatte vor allem darum, inwiefern das Verfassungsrecht als Mittel zum Schutz der transnationalen Grundrechte und der Demokratieförderung dienen kann. In den letzten Jahren ist aber auch zunehmend die Kehrseite des "neuen Konstitutionalismus" sichtbar geworden: Wenn sich der politische Kontext in eine ungünstige (d.h. illiberale oder populistische) Richtung entwickelt, können Verfassungen, so scheint es, auch zur Wiederherstellung und Stärkung des Autoritarismus eingesetzt werden. Außerdem können Verfassungen unter Stress geraten, wenn sich verschiedene Ebenen der Verfassungspolitik (nationale, sub- und supranationale) überschneiden und sich manchmal sogar widersprechen. Diese Gefahren sind sowohl in Europa als auch auf dem amerikanischen Kontinent sichtbar geworden. Jene Mechanismen verlangen nach einem sorgfältigen vergleichenden Ansatz. Während Verfassungen weitgehend in das Fachgebiet der Rechtswissenschaft fallen, sind sie zunehmend auch Teil der politik- und sozialwissenschaftlichen Forschung. CONSTRESS bietet eine interdiziplinäre Kombination aus normativer, juristischer und sozialwissenschaftlicher Forschung, um ein nuancierteres Verständnis der gegenwärtigen Krisen des Konstitutionalismus zu entwickeln.
Organisator:innen
Leitung:
Silvia von Steinsdorff, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität
Anna-Bettina Kaiser, Professorin für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität
Jan-Werner Müller, Professor für politische Theorie an der Universität Princeton
Koordination:
Kaja Anna Kaźmierska, wissenschafliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften
Friederike Augustin, wissenschafliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften
Themen bisheriger Seminare und Workshops
September 2024: Workshop zu "Academic Freedom, Free Assembly, Free Speech: Normative, Legal, and Historical Perspectives", Princeton University
Juli 2024: Workshop zu "Academic Freedom", Humboldt-Universität zu Berlin
Juni 2024: Seminar zu "Free Speech, Academic Freedom, Freedom of Assembly: Transatlantic Normative and Empirical Perspectives on Communicative Rights", Humboldt-Universität zu Berlin
Oktober 2023: Workshop zu "Transitions to Democracy Revisited" und "Academic Freedom: Normative, Legal, and Empirical Perspectives", Princeton University
September/Oktober 2023: Gemeinsames Seminar zu "Constitutionalism and Democracy: Transatlantic Normative and Empirical Perspectives", Princeton University
Juni 2023: Gemeinsames Blockseminar zu „The Rule of Law Under Threat: Transatlantic Legal and Normative Perspectives”, Humboldt-Universität zu Berlin
Oktober 2022: Workshop zu "Political Parties and Other Associations”, Princeton University
September/Oktober 2022: Gemeinsames Seminar zu "Digital Democracy: Historical, Legal, and Normative Transatlantic Perspectives"
Juli 2022: Workshop zu “Executives and Emergencies: Normative, Legal, and Empirical Transatlantic Perspective”, Humboldt-Universität zu Berlin
Juni 2021: Gemeinsames Blockseminar "Executives and Emergencies: Normative, Legal, and Empirical Transatlantic Perspective", Online
Juni 2020: "Democratic and Constitutional Resilience", Online
Juni 2019: "Free Speech in Troubled Times", Humboldt-Universität zu Berlin
März 2019: "The Other ‘Transitology’: Pathways into and out of Authoritarianism in the Twenty-First Century – Empirical and Normative Perspectives.", Princeton University
Juli 2018: "Constitutionalism, Dissent, and Resistance", Humboldt-Universität zu Berlin

Studentische Beiträge zu früheren Veranstaltungen (exemplarisch):
Zwei Doktorandinnen der Princeton University zu Gast an der Humboldt-Universität
Lynnea Shuck: Q&A zum 2024 Constress Seminar und Workshop in Berlin

- Wie hat das Seminar "Free Speech, Academic Freedom, Freedom of Assembly" zu Deinem Studium beigetragen und was waren Deine wichtigsten Erkenntnisse oder überra-schendsten Seminarinhalte?
Ich schätzte die internationale Perspektive auf kommunikative Rechte. Die grundlegende Rolle der Würde in der deutschen Politik war mir bereits vor dem Programm bekannt, aber erst im Seminar und Workshop erhielt ich ein tieferes Verständnis dafür, wie sie in der Praxis funktioniert.
- Wie hat Dir das Format gefallen, Studierende und Professor:innen der Sozialwissenschaften, Jura und der politischen Theorie von der HU und Princeton zusammen-zubringen?
Ich wurde mit zwei Jurastudenten der HU vernetzt, die mir viel über das deutsche Verfassungsrecht beigebracht haben. Als Politikwissenschaftlerin war ich fasziniert davon, in das amerikanische Verfassungsrecht einzutauchen, angeregt von meinen deutschen Kommiliton:innen. Unsere Präsentation war eine großartige Gelegenheit, Ideen interdisziplinär vorzustellen und eine Vielzahl von Fragen aus der Seminargruppe zu beantworten. Es hat mich herausgefordert, über die Beziehung zwischen Gerichtsurteilen und langanhaltenden Fragen der politischen Theorie nachzudenken.
- Wie haben Dir die zusätzlichen Aktivitäten außerhalb des Seminars und der Besuch in Berlin insgesamt gefallen?
Die Zusammenarbeit mit den deutschen Kommiliton:innen wurde durch zusätzliche Aktivitäten wie eine Führung durch das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen und den Bundesrat besonders bedeutsam. Das Stasi-Gefängnis regte mich dazu an, über die Art und Weise nachzudenken, wie Erinnerung und Geschichte neuen Generationen vermittelt werden. Die Führung durch den Bundesrat gab mir Einblicke in das Funktionieren der zeitgenössischen deutschen Politik (insbesondere, wie nationale Politik mit den Ländern und Kommunen zusammenhängt). Nach meiner Rückkehr interessiere ich mich besonders nun dafür, vergleichende Perspektiven aus Deutschland in meine Dissertation zu integrieren; ich habe auch angefangen Deutsch zu lernen.
(Foto: Lynnea Shuck)
Mollie Eisner: Rückblick auf einen Monat in Berlin und Europa
Im Sommer 2024 hatten Lynnea (eine weitere Doktorandin aus Princeton) und ich die Gelegenheit, nach Berlin zu reisen und an einem Seminar und einem Workshop über Meinungsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und Versammlungsfreiheit teilzunehmen, das an der Humboldt-Universität stattfand und von den Professor:innen Anna-Bettina Kaiser, Jan-Werner Müller und Silvia von Steinsdorff organisiert wurde. Ich bedanke mich bei den Professor:innen, die dieses interdisziplinäre und transnationale Seminar organisiert und geleitet haben, das faszinierende und schwierige Gespräche über die vergleichende Untersuchung der akademischen Freiheit und der freien Meinungsäußerung hervorgebracht hat, insbesondere zu einem historischen Zeitpunkt, an dem internationale Campus-Proteste diese philosophischen und rechtlichen Bedenken in den Vordergrund des öffentlichen Diskurses gerückt haben. Unsere Diskussionen während des Seminars und des Workshops haben mich dazu angeregt, selbst über internationale Erinnerungsgesetze zu recherchieren und darüber zu schreiben, ebenso wie über die Kontroverse um die Lehre der so genannten „critical race theory“ in amerikanischen Lehrveranstaltungen und die anschließenden Versuche, Bücher in Schulen und Bibliotheken zu verbieten. Ganz persönlicher ermöglichte mir die Teilnahme an dem Seminar und dem Workshop zum ersten Mal eine Reise ins Ausland (und damit nach Deutschland).
Ich bin besonders dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, mit José und Victoria, zwei derzeit in Deutschland lebenden Studierenden, an einer Präsentation für das Seminar zu arbeiten. Neben den produktiven Gesprächen mit José und Victoria über die Versammlungsfreiheit in Deutschland und den Vereinigten Staaten waren sie wunderbare Reiseführer:innen für Berlin, suchten gemeinsam nette Restaurants aus, tolerierten meine Unkenntnis der deutschen Sprache und veranstalteten sogar eine Fußball-EM-Party. Ein herzlicher Dank gilt auch den anderen Seminarteilnehmer:innen, die ihre Zeit und Empfehlungen mit mir geteilt haben. Einige von ihnen teilten sogar ihr Googlemaps von Berlin, auf denen ihre Lieblingsorte markiert waren (und zeigten mir das Gericht, das jetzt eines meiner Lieblingsessen ist: Spinatknödel).
Vielen Dank an Friederike und Kaja für die gesamte Planung, insbesondere für die durchdachte Organisation der Unterkunft für Lynnea und mich in Berlin-Mitte, der schnell zu einem beliebten Teil der Stadt wurde. Auf dem Weg von unserer Unterkunft zum Campus der Humboldt-Universität bin ich oft an der Gedenkstätte der Berliner Mauer vorbeigegangen. Der häufige Anblick der Überreste der Berliner Mauer und des Denkmals, das in ihrer Abwesenheit errichtet wurde sowie die Erkundung der Stadt im Allgemeinen - die moderne Architektur im Vergleich zu den mittelalterlichen Bauten, denen ich während derselben Reise in Schottland und Frankreich begegnete, und sogar zu den wesentlich jüngeren Kolonialbauten in Neuengland - regten mich immer wieder zum Nachdenken über die Geschichte der Stadt an, die von Krieg und Zerstörung geprägt ist, eine Art visuelle Vergangenheitsbewältigung. Diskussionen mit Mitstudierenden und Professor:innen über die jüngste Restaurierung des Humboldt-Forums, dessen Fassade Ausdruck preußischen Prunkes ist, regten zusätzlich zum Nachdenken über die Beziehung zwischen Berlins Architektur und Geschichte an.
In den Tagen zwischen dem Seminar und der Konferenz hatte ich das Vergnügen, unter anderem die Museumsinsel zu erkunden. Obwohl es vielleicht nicht überraschend ist, war es besonders unvergesslich, der bemerkenswerten Büste der Nofretete gegenüber zu stehen. Die verschiedenen Arbeitsräume in der Stabi boten einen ausgezeichneten Platz zum Lesen und Schreiben, und ich konnte mir sogar einen Bibliotheksausweis ausstellen lassen, den ich hoffentlich bei künftigen Besuchen in Berlin nutzen werde.
"A Princeton-Humboldt Project Unites U.S. and German Students to Examine the Crisis of Democracy"
Hier geht es zum Bericht über den Berlin-Besuch der Doktorand:innen aus Princeton im Sommer 2023.
10 Jahre HU-Princeton-Partnerschaft: Demokratie, Wissenschaftschaftsfreiheit und "Theory Thursday"
Im Herbst 2023 flog eine Gruppe Studierender der HU einmal quer über den Atlantik – in die kleine Universitätsstadt mit dem großen Namen Princeton. Vorausgegangen war im Juni bereits ein Besuch der US-amerikanischen „colleagues“ in Berlin. Rahmen dieses Austauschs ist das Projekt CONSTRESS, was für „Constitutionalism Under Stress“ steht. Die drei Köpfe des Projekts, Silvia von Steinsdorff (Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität), Anna-Bettina Kaiser (Professorin für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität) und Jan-Werner Müller (Professor für politische Theorie an der Universität Princeton), bilden ein Spektrum sehr unterschiedlicher Disziplinen und Positionen ab. Das gleiche galt für die Studierenden. Der Austausch vernetzte Studierende der Sozialwissenschaften, aus Jura und der Politischen Theorie. Gerade diese interdisziplinäre und transatlantische Spannweite der fachlichen Hintergründe war bereichernd und bot Herausforderungen, die zur Prüfung und sorgfältigen Formulierung der eigenen Sichtweise animierten. Nie hätte man sich der Illusion naiver Patentrezepte hingeben können, wo alle Beteiligten angeregt waren, den Gegenständen der Verfassung, der Demokratie, ihrer Anfechtungen und bewahrenden Weiterentwicklung in ihrer Komplexität und ihren Ambivalenzen Rechnung zu tragen.
In Princeton waren wir neben der Teilnahme an einem Seminar zum Thema "Constitutionalism and Democracy" mit PhD-Studierenden der politischen Theorie, auch eingeladen, uns an nicht rein studentischen Veranstaltungen zu beteiligen (das hieß: gute Häppchen!). Die zweitägige Konferenz "Transitions to Democracy Revisited" stellte die Frage, wie in Staaten, die den Weg autokratischer Regime eingeschlagen haben, ein erneuter Wandel hin zur Demokratie funktionieren kann. Neben seit vielen Jahren geführten Diskussionen über majoritäre und nicht-majoritäre Institutionen und welchen mehr Vertrauen im Aufbau und Stabilisieren einer Demokratie zu schenken ist, wurde auch nicht davor zurückgescheut, Grundsätzlicheres in Frage zu stellen: Beschreibt der Begriff "Democratic Backsliding" das Phänomen überhaupt angemessen? Ist es fahrlässig, Demokratie und Liberalismus immer unhinterfragt in einem Zusammenhang oder sogar als Synonyme zu nennen? Welche Konzepte und Institutionen können den Status Quo wenden und eine Demokratisierung anleiten?
Ungeachtet der unterschiedlichen akademischen Kulturen war den beteiligten Wissenschaftler:innen gemein, dass sie uns Studierende wie selbstverständlich in die Diskussion ihrer Forschung einbanden. Allen war der Anspruch eingeschrieben, die politischen Entwicklungen nicht hypothetisch zu abstrahieren, sondern sie in ihrer spezifischen Aktualität zu erfassen und ungeschönt zu verdeutlichen, wo gegenwärtig Ratlosigkeit herrscht und wo sie durch beharrlichen Austausch von Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen überwunden werden kann.
Beispielsweise hatten wir die Möglichkeit mit Samuel Moyn über seinen Vorschlag zur Reform des US-amerikanischen Supreme Court zu diskutieren, in dem er eine radikale Demokratisierung der Institution fordert.
Auch mit Martin Loughlin konnten wir seine in seinem Buch "Against Constitutionalism" hervorgebrachte Kritik an "Konstitutionalismus" als moderner Ideologie, die im Gegensatz zu der wünschenswerten konstitutionellen Demokratie stehe, diskutieren. Er stellte den liberalen akademischen Kanon in Frage und echauffierte sich über das ewige im Kreis Deliberieren seiner Kolleg:innen.
Anlässlich der zehnjährigen Kooperation der Humboldt-Universität und der Universität Princeton fand der Workshop "Academic Freedom: Normative, Legal, and Empirical Perspectives“ statt. Neben den renommierten Gästen aus der Wissenschaft war zum Workshop auch Adam Bodnar, sozusagen direkt aus der Praxis geladen. Als Kandidat der polnischen Oppositionspartei "Koalicja Obywatelska" (Bürgerkoalition) konnte er uns seine Einschätzung zu den (damals noch) anstehenden Wahlen in Polen geben. Als Jurist und Menschenrechtsaktivist vereinte er spannende Perspektiven aus der politischen Praxis, zivilgesellschaftlichem Engagement und der Rechtswissenschaft. Nach dem Workshop tauschten sich die Präsidentin der HU, Julia von Blumenthal, und der Präsident der Princeton University, Christopher Ludwig Eisgruber, zur Wissenschaftsfreiheit und der Kooperation der beiden Universitäten aus und nahmen Kurs auf zehn weitere Jahre fruchtbarer Kooperation.
Die Veranstaltungen zeichneten sich also durch große Interdisziplinarität aus – Geschichts-, Rechts- oder Politikwissenschaftler:innen, aber auch Politiker:innen tauschten sich zu den uns alle umtreibenden Fragen aus. Innerhalb der eher abgeschotteten Campus-Blase war so eine Vielfalt der Perspektiven möglich, die jeweils einen Nerv der aktuellen Problemkonstellationen trafen.
Der „Theory Thursday“ hingegen transzendierte das rein Akademische des Austauschs, denn im „Ivy Inn“ durften bei 2$-Bier (Narragansett!) auch Theorie-unabhängige Themen angesprochen werden. Wir Besucher:innen verließen die rein abstrakte Ebene der Demokratietheorie und des Konstitutionalismus zusätzlich bei einem Besuch in Philadelphia, wo wir in der Independence Hall auf den Spuren der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung wandelten. Besonders beeindruckend war das interaktive Konzept des Tour Guides, der aus den US-amerikanischen Teilnehmer:innen der Tour auf Knopfdruck durch seinen Zuruf "No taxation without -" im Chor die Antwort "representation!" hervorrufen konnte. (New York haben wir natürlich auch besucht, nur gänzlich ohne Bildungsauftrag.)
Das Ende der Reise wurde jedoch überschattet von dem Grauen des Angriffs der Hamas auf Israel, der die zuvor lebhaft geführten Debatten über die israelische Verfassungsreform plötzlich in den Hintergrund rücken ließ.
Dieser kleine Bericht wäre nicht vollständig ohne einen ganz großen und herzlichen Dank an Silvia von Steinsdorff, Jan-Werner Müller und Anna-Bettina Kaiser – dafür dass sie diesen Austausch möglich machten, und nicht zuletzt an Kaja Kaźmierska und Friederike Augustin, die uns eine unbeschreibliche Hilfe bei dem organisatorischen Dschungel des Visumsantrags und vielem mehr waren. Sie haben erreicht, niedrigschwelliges Entgegenkommen bei der Teilnahme und Organisation des Austauschs mit hohem fachlichen Niveau und wertvollen Einblicken zu verbinden. Das hat bei uns Studierenden nachwirkende Eindrücke hinterlassen, die uns in unseren individuellen Ansätzen bestärkt oder Entwicklungswege für kommende Arbeiten aufgewiesen haben. Bei den vielfältig beanspruchenden Aufgaben einer Universität gibt es für eine solch intensive Form der Lehre selten Gelegenheit. Gerade darum war dieser Austausch für alle Beteiligten zweifellos von hohem Wert.
HU-Angehörige seit Beginn der Covid-19-Pandemie endlich wieder zu Gast in Princeton
Im September und Oktober 2022 verbrachte eine Gruppe Studierender und Promovierender vom Institut für Sozialwissenschaften (ISW) und der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) rund vier Wochen an der Princeton University (PU) in New Jersey, USA. Unter der Leitung von Prof. Dr. Silvia von Steinsdorff (HU Berlin, ISW), Prof. Dr. Anna-Bettina Kaiser (HU Berlin, Juristische Fakultät) und Prof. Dr. Jan-Werner Müller (PU, Department of Politics) nahmen sie an einem Seminar für Promovierende zum Thema "Digital Democracy" und an einem internationalen Workshop zum Thema "Political Parties and Other Associations" teil. Die Veranstaltungen wurden im Rahmen der langjährigen strategischen Partnerschaft zwischen HU und Princeton als Teil des Flaggschiffprojekts "Constitutionalism under Stress" („CONSTRESS“) organisiert, das seit 2016 existiert und sich bereits im zweiten Projektzyklus befindet.
Das Seminar brachte die unterschiedlichen Perspektiven der deutschen und US-amerikanischen Studierenden und Promovierenden zusammen und schlug eine Brücke zwischen politischer Theorie, empirischen Ansätzen der Sozialwissenschaften, und der stärker normativ geprägten Herangehensweise der Rechtswissenschaften. Für die Teilnehmer:innen war der interdisziplinäre und transatlantische Austausch eine besondere Chance, um sich kritisch mit bekannten und neuen Aspekten der Debatte um Meinungsfreiheit und die Regulierung des digitalen Raumes auseinanderzusetzen. So wurde beispielsweise viel und kontrovers über den unterschiedlichen Umgang mit Hassrede in der EU und den USA diskutiert. Die lebhafte, stets sehr konstruktive Auseinandersetzung mit diesen komplexen Themenfeldern forderte alle heraus, kritisch die eigene und die vermeintlich vorherrschende Haltung gegenüber staatlicher Regulierung in den verschiedenen Ländern zu hinterfragen. So wurde auch hitzig über die unterschiedlichen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Vorstellungen von Privatsphäre und Freiheit sowie über teils konträre Annahmen und Behauptungen zu gesellschaftlicher Polarisierung infolge der Nutzung sozialer Medien diskutiert. Immerhin in einem Punkt bildete sich sehr schnell ein breiter Konsens heraus: die gesellschaftspolitische Realität ist auf beiden Seiten des Atlantiks weitaus komplexer, als es populäre Begriffe wie "Echokammer" und "Filterblasen" vermuten lassen. Sowohl im Rahmen des Seminars als auch während des Workshops hatten die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, eigenen Forschungsarbeiten zu den Themen digitale Demokratie und politische Parteien vorzustellen und mit führenden Wissenschaftler:innen aus den USA und Europa zu diskutieren.
Neben vielen neuen Erkenntnissen über Digitalisierung, Demokratie, Parteien, politische Verbände und die Rolle sozialer Medien in freiheitlichen Demokratien hatte die Gruppe auch die Gelegenheit, in das Leben an einer US-amerikanischen „Ivy League“-Universität einzutauchen. Erstaunt waren die HU’ler:innen über die reiche Infrastruktur von Läden, Cafés, Kantinen, Shuttlebussen, Fitnessstudios, inklusive eines Campus-eigenen Bezahlsystems, die ganz speziell auf die alltäglichen Bedürfnisse der undergraduates (Studierende auf Bachelor-Level) an einer großen Privatuniversität ausgerichtet ist.
Auch die deutschen Gäste profitierten von diesem Rundum-Service. Sie wohnten in der Nähe des Campus im Theologischen Seminar Princeton und entwickelten schnell ihre eigenen Routinen, besuchten zusätzliche Vorlesungen und Seminare auf dem Campus, lasen die Campuszeitung "Daily Princetonian" und trafen sich in den luxuriösen Uni-Kantinen zum gemeinsamen Essen. Ein besonderes Highlight waren auch die hervorragend ausgestatteten Bibliotheken, die so geräumig sind, dass sich kein Studierender jemals Sorgen um einen Arbeitsplatz machen muss. Auch die allgegenwärtige Harry-Potter-Atmosphäre der neugotischen Gebäude auf dem gesamten Campus trug zum Erlebnis bei.
Im Rückblick waren sich die HU’ler:innen einig: der Aufenthalt in Princeton hat bei allen großen Eindruck hinterlassen. Nach der langen Zeit der Kontakt- und Reisebeschränkungen war das persönliche Zusammenkommen mit den PhD-Studierenden, Lehrenden und Wissenschaftler:innen aus Princeton eine große Bereicherung. Die aktuellen Debatten in der US-amerikanischen Gesellschaft und die Besonderheiten der akademische Kultur wurden für die deutschen Teilnehmer:innen wesentlich greifbarer und eindrücklicher, als dies durch ein digitales Format möglich gewesen wäre. Das Seminar und der Workshop waren eine weitere erfolgreiche Ausgabe des CONSTRESS-Austauschs!
Wir freuen uns auf die Fortsetzung des Projekts im nächsten Jahr, wenn sich die Teilnehmenden von beiden Seiten des Atlantiks bei einem Seminar in Berlin im Sommer und einem Workshop in Princeton im Herbst mit den Themen Rechtsstaatlichkeit und Transitional Justice (auf deutsch auch als „Vergangenheitsarbeit“ bezeichnet) befassen wollen.
Online-Seminar zu "Executives and Emergencies": Ein Blick auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und darüber hinaus
Hier finden Sie einen der Podcasts, der von zwei unserer Studierenden, Marie-Lou Laprise and Tessa Porter, im Rahmen des gemeinsamen Online-Seminars "Executives and Emergencies: Normative, Legal, and Empirical Transatlantic Perspective" produziert wurde. Der Podcast geht der Frage wie nach wie Ausnahmeverfassungsrecht dazu genutzt wird um die Folgen von Naturkatastrophen und dem Klimawandel zu bekämpfen.
Theme music: "Werq" by Kevin MacLeod (incompetech.com). Licensed under Creative Commons: By Attribution 4.0 License (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).