Politische Polarisierung und Arbeiterbewusstsein: Zwei Studien und ein Special Issue von und mit Linus Westheuser
Jüngst veröffentlicht
(1) "Verletzte Ansprüche. Zur Grammatik des politischen Bewusstseins von ArbeiterInnen" Open Access im Berliner Journal für Soziologie: https://link.springer.com/article/10.1007/s11609-022-00470-0
Die Studie von Linda Beck und Linus Westheuser über das politische Bewusstsein der Arbeiterklasse korrigiert eine einseitige Fokussierung auf rechte Arbeiter. Der Artikel analysiert Tiefeninterviews mit deutschen Produktionsarbeitern und lässt sich dabei von Überlegungen Axel Honneths und Pierre Bourdieu inspirieren. Die Autor:innen rekonstruieren sieben Repertoires der Alltagskritik, mit denen Arbeiter Ungerechtigkeiten der wirtschaftlichen Verteilung, der symbolischen Anerkennung und der politischen Repräsentation kritisieren. Im Zentrum dieser Sozialkritik steht ein sensibles Bewusstsein für verletzte Ansprüche und Überschreitungen eines "impliziten Gesellschaftsvertrags" (Barrington Moore). Entgegen der weit verbreiteten Erzählung eines Rechtsrucks der Arbeiter:innen rekonstruieren die Autoren so eine Grammatik des politischen Bewusstseins, die widersprüchlich, von politischer Demobilisierung geprägt und offen für unterschiedliche politische Ansprachen ist.
(2) "Class Without Consciousness. The Politics of Demobilized Class Society." Sonderheft des Berliner Journals für Soziologie herausgegeben von Linus Westheuser und Donatella della Porta
Das Sonderheft des Berliner Journals für Soziologie zeigt aus verschiedenen Perspektiven die fortdauernde Relevanz von Klassenidentitäten und -einstellungen auf - auch in Gesellschaften, in denen der Klassenkampf aufgehört hat, ein zentraler Bezugspunkt der Politik zu sein. Das Heft enthält auch eine Studie von Thomas Lux, Steffen Mau und Aljoscha Jacobi vom Lehrbereich Makrosoziologie. Open Access (ab Ende Juni): https://link.springer.com/journal/11609/volumes-and-issues/32-2
Deutschland, ein gespaltenes Land? Eher nein, schreibt Linus Westheuser in seiner Sammelrezension aktueller Studien zur politischen Polarisierung. US-Diagnosen der politischen Polarisierung seien nicht auf Deutschland zu übertragen. Hierzulande falle eher die Abspaltung einer rechten Minderheit und ein starkes soziales Gefälle der politischen Beteiligung ins Auge.